Gesundheitspolitik in Deutschland:
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Seite 1: | Ausgewählte Fakten zur Ausgangssituation,
kurzgefasst |
Seite 2: | Zur Diskussion
einiger Änderungsvorschläge für das Gesundheitswesen in
Deutschland |
Gesundheitspolitik Seite 2:
2-Klassen-Medizin oder Solidargemeinschaft?
Kopfpauschale oder Beitragssystem?
Notwendige Strukturveränderungen
Wie viel darf Gesundheit kosten?
Die finanziellen Risiken im Krankheitsfall für den Einzelnen sind erheblich, z.B. bei Versorgung von Frühchen, Organtransplantationen, Dialyse etc. Je mehr Menschen diese Risiken gemeinsam tragen, um so besser sind sie zu bezahlen ("Risikopool"). Die Kosten für ein seltenes, aber mit teueren Folgekosten verbundenes Risiko lassen sich dann auf möglichst viele Beitragszahler verteilen.
Alternativ dazu kann ein klassisches Risikoversicherungsmodell
gefordert werden, d.h. jeder muss sein eigenes persönliches Risiko
absichern.
Hier sehe ich im wesentlichen drei Nachteile:
- die risikobezogene Prämie steigt mit dem Alter und eintretenden
chronischen Krankheiten nach oben,
- die Prämien können bei weitem nicht von allen Einwohnern, gerade auch
von den älteren Mitbürgern bezahlt werden,
- eine Schadensgrenze nach oben ist festgesetzt, die im Einzelfall
unzureichend sein kann.
Entscheiden wir uns als Gesellschaft für die Erhaltung des
Solidaritätsprinzips im Deutschen Gesundheitswesen, dann sollten wir auch
den Risikopool möglichst groß gestalten. Auf "Gute Risiken" zu
verzichten, ist fahrlässig. Daher sollte es keine Möglichkeiten für
eine private allgemeine Krankenversicherung geben, auch Beamte und
Selbstständige sind in den Risikopool mit zu beteiligen.
In einer
Grundversorgung vereinbarte Leistungen dürften ausschließlich im Rahmen
der Risikopoolfinanzierung geleistet werden, um unerwünschte
Verschiebungen stark nachgefragter Leistungen in einen Selbstzahlerbereich
zu verhindern.
Kalkulierbare und begrenzte Gesundheitsrisiken könnten dagegen über
risikobezogene Individualversicherungen finanziert werden: z.B.
Zahnersatz, Schönheitsoperationen, evtl. spezielle Unfallversicherungen.
Ein gemeinsames Finanzierungssystem macht die Vielzahl der jetzt
bestehenden Krankenkassen überflüssig, weniger als 10 Krankenkassen in
Deutschland sollten genügen.
Fazit:
Entscheiden wir uns für den Erhalt des Solidaritätsprinzips im
Gesundheitswesen in Deutschland. Das geht aber nur, wenn auf die
praktische Möglichkeit einer 2-Klassen-Medizin konsequent verzichtet wird.
Wie auf Seite 1 dargestellt, bieten weder Kostenreduzierung, Rationalisierung noch Steuermittel genügende Reserven für eine nachhaltige Sicherung der Finanzierung im Deutschen Gesundheitswesen. Das jetzige System belastet einseitig die nichtselbstständigen Arbeitnehmer und deren Arbeitgeber, die Kosten für den Arbeitnehmer steigen mit der Zahl der Arbeitsplätze.
Abhilfe kann hier nur eine Reform der Finanzierung leisten, die
einerseits das Beitragsaufkommen von Arbeitsplätzen entkoppelt und
andererseits die Finanzierung möglichst gleichmäßig auf alle Einwohner
in Deutschland verteilt. Dabei muss natürlich der soziale Aspekt der
Leistungsfähigkeit des Einzelnen beachtet werden (=sozialverträglich).
Auf den Arbeitgeberbeitrag in bisheriger Höhe (ca. 40% der Gesamtkosten)
kann keinesfalls verzichtet werden. Eine denkbare Möglichkeit der
Entkopplung von der Zahl der Arbeitsplätze wäre eine Festlegung der
Beitragshöhe aufgrund der an einem Stichtag gezahlten Summe, diese wird
dann gemäß eines Index (Inflationsausgleich, BIP-Steigerung, Steigerung
der Lohnsumme etc.) fortgeschrieben. Z.B. kann man den jährlich von einem
Betrieb zu zahlenden Betrag aufgrund einer Selbstauskunft schätzen und
veröffentlichen, sicherlich gibt es weitere und auch bessere Methoden
einer Erhebung des Arbeitgeberbeitrages.
Ein rein prozentuales Beitragssystem für die Einwohner in Deutschland hat
einen wesentlichen Nachteil des bisherigen Systems: die Bezieher
unterdurchschnittlicher Einkommen zahlen zu wenig, die Bezieher
überdurchschnittlicher Einkommen zuviel. Das Problem ist es, diese
Schieflage in die Zukunft fortzuschreiben, Umgehungstatbestände bei
Besserverdienenden werden provoziert (so wie jetzt der Rückzug aus der
Solidaritätsgemeinschaft durch private Krankenversicherung).
Bleibt es bei einem Arbeitgeberbeitrag von 40%, dann sind rund 150,-
Euro pro Einwohner notwendig, um den jetzigen Zustand der
Gesundheitsversorgung zu bezahlen. Auch dann wird es leider genügend
Einwohner geben, die diesen Beitrag nicht in voller Höhe leisten können.
Dann könnte einerseits für die Kinder durch eine 3-5%ige Steuererhöhung
Kosten finanziert werden, andererseits für Sozialschwache ein mäßiger
Beitrag bezogen auf das Einkommen zusätzlich zur
"Kopfpauschale" von Besserverdienenden erhoben werden:
100 Mrd. Euro zahlen die Arbeitgeber
10 Mrd. Euro aus Steuererhöhung für Kinder
100 Mrd. Euro aus voller/gekürzter Kopfpauschale (80% der Einwohner)
30 Mrd. Euro aus zusätzlichen Beiträgen für Besserverdienende (20% der Einwohner)
Fazit:
Eine sozialverträgliche Kombination aus Kopfpauschale, zusätzlicher Belastung für Besserverdienende, Steuermitteln und Arbeitgeberbeitrag sollte in der Lage sein, mittelfristig eine vernünftige Finanzierung für das Gesundheitswesen in Deutschland zu sichern.
Die Patienten haben Anspruch auf eine offene Zusammenarbeit aller
Heilberufe im Netzwerk.
Solche Netzwerke können nur regional funktionieren.
Die Trennung ambulant/stationär muss wegfallen. Fach- und Hausärzte
sollten gemeinsam, z.B. in Gesundheitszentren, tätig sein und ärztliche
Leistung als Gesamtkonzept anbieten ("Disease Management").
Apotheker übernehmen die Verantwortung dafür, dass im Rahmen des
Gesamtbudgets die Arzneimittelkosten "stimmen" und erreichen das
durch Patientenbetreuung ("Hausapothekenmodell", "Pharmaceutical
Care").
Die Versorgungsqualität muss durch regionale Konsensbildung
abgesichert werden: Behandlungsleitlinien, "Clinical Pathways",
Arzneimittellisten, Fort- und Weiterbildung, Ausschluss von nicht
effektiven Therapieverfahren.
Es entsteht ein regionaler Gesundheitsmarkt.
Wenn die sektorale Trennung in ambulant oder stationär zugunsten
regionaler Netzwerke aufgegeben wurde, dann kann es ein globales Budget
für Gesundheitsleistungen geben. Die Entwicklung der vergangenen Jahre
zeigt, dass eine Kostendämpfung im Rahmen der Selbstverwaltung
funktioniert (s. Seite 1)
Fazit:
Alle Heilberufe übernehmen gemeinsam Budgetverantwortung, leisten Abbau
von Bürokratie und Stärkung der Selbstverwaltung.
Ein regionaler
Gesundheitsmarkt bietet alle Leistungen aus einer Hand.
Kosten im Gesundheitswesen nominal, als reinen Geldbetrag zu betrachten, ist problematisch. So wird weder Kaufkraft und Inflation noch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft berücksichtigt. International werden die Kosten als Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) miteinander verglichen. Je nachdem ob man den OECD-Daten oder denen des Bundesamtes für Statistik folgt liegen dieser Anteil für Deutschland 1994 bei 8,6 bzw. 10,4% (s. Seite 1). Für 2003 gibt das Statistische Bundesamt 11,3% an. Allerdings ist das BIP in Deutschland 2002 nur um 0,1% gestiegen, 2003 sogar um 0,3% zurückgegangen. 2004-2006 stieg das BIP um durchschnittlich 1,5% jährlich, der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP lag in Deutschland laut OECD 2005 bei 10,7%.
Es sollte somit möglich sein, eine globale Budgetvorgabe für das Gesundheitswesen als Prozentsatz eines zu erwartenden BIP zu ermitteln. Bei steigender bzw. sinkender Wirtschaftsleistungen ist eine Anpassung der Versorgungsleistungen notwendig.
Für eine praktische Umsetzung der Budgetvorgabe ist die Aufgabe der
sektoralen Versorgungsbereiche und eine ganzheitliche Versorgung für
Patienten zwingend notwendig.
Fazit:
Ohne globale Budgetierung ist keine nachhaltige Finanzierung im Deutschen Gesundheitswesen möglich. Das Budget kann der Entwicklung des Bruttoinlandproduktes (BIP) folgen. Voraussetzung ist die ganzheitliche Versorgung für Patienten, z. B. im regionalen Gesundheitsmarkt.