Alle Gesundheitstipps sind zu Ihrer Information gedacht. Bitte bedenken Sie Ihre eigene Situation, bevor Sie einer der Empfehlungen folgen. Eine Gewährleistung oder Haftung muss ich natürlich ablehnen! Handelsnamen nenne ich nur soweit nötig, ohne irgendeine Form von Vergütung dafür erhalten zu haben. |
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Zur Beurteilung von Ergebnissen klinischer Studien Die persönliche Erfahrung reicht nicht aus, um die Wirksamkeit eines Arzneimittels zu beurteilen. Beispielsweise kommen Nebenwirkungen nicht bei jedem Patienten zum Vorschein. Studien sind grundsätzlich notwendig um die Frage zu beantworten, ob ein bestimmtes Medikament der Mehrheit aller Patienten, die es erhalten, entweder nutzt, nichts bringt oder gar schadet. Jetzt heißt es: Keine Angst vor Fach"chinesisch", in diesem Falle Fachenglisch!
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Nun möchte ich in aller Kürze darstellen:
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1. Wie werden Studien im Prinzip durchgeführt ?
Beide Patientengruppen werden in einem Zeitraum, der vor Studienbeginn festgelegt wurde, beobachtetet ( Studiendauer ). Wenn die im Rahmen der Studie behandelten Patienten rein zufällig entweder der Experimentalgruppe oder der Kontrollgruppe zugeordnet werden, spricht man von einer randomisierten Studie (random (engl.) = Zufall). Bei einer doppeltblinden Studie wissen weder behandelnde Ärzte noch die Patienten selbst, ob letztere zur Experimental- oder Kontrollgruppe gehören. Das Behandlungsergebnis wird als Zielereignis festgelegt. Das Zielereignis kann ein Krankheitsereignis sein, z.B. Schlaganfall, das durch die zu prüfende Therapie weniger häufig auftreten soll. Es kann aber auch ein zusätzlicher Nutzen (engl. Benefit) durch die geprüfte Therapie erreicht und untersucht werden, z.B. eine zusätzliche Lebenserwartung von einem Jahr. Am Ende des Beobachtungszeitraumes vergleicht man nun, wie häufig das (die)
Zielereignis(se)
in der Experimentalgruppe einerseits und in der Kontrollgruppe andererseits auftrat. |
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2. Welche Studienergebnisse könne verwendet werden ? Studienergebnisse sind beobachtete Unterschiede zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Solche Unterschiede können nur dann berücksichtigt werden, wenn dieser Unterschied nicht zufällig beobachtet wurde. Man sagt, das (Studien)ergebnis muss signifikant sein. Mit statistischen Verfahren wird getestet, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis tatsächlich durch die geprüfte Therapie und nicht durch Zufall beobachtet wurde. In der Regel wird der sogenannte p-Wert angegeben. p < 0,01 bedeutet, das mit mindestens 99% Wahrscheinlichkeit das entsprechende Ergebnis nicht zufällig entstanden ist, es wäre also signifikant.
Es liegt in der Natur der Sache, das diese Aussage sehr wichtig, aber in vielen Fällen noch nicht ganz ausreichend ist. Es müssen noch die Grenzen des sogenannten Vertrauensbereiches (engl. Confidence Interval, abgekürzt
CI) bekannt sein. Üblicherweise sind das die Unter- und Obergrenzen, zwischen denen das beobachtete Ergebnis mit einer Wahrscheinlichkeit von 95%
auch tatsächlich liegt. |
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3. Wie werden Studienergebnisse dargestellt ? Zeit für ein erstes Beispiel. Nach Herzchirurgie (koronare Bypass-Operationen) sollen Medikamente, die die Gerinnungsfähigkeit des Blutes herabsetzen, einen (evtl. erneuten) Herzinfarkt, einen Schlaganfall oder den Tod des Patienten durch eine Herz-Kreislauf-Erkrankung verhindern. Diese Frage wurde u.a. in der CAPRIE-Studie (Bhatt et al., Circulation 2001) untersucht und die drei genannten Zielereignisse zu einem sogenannten kombinierten Endpunkt zusammengefasst:
Der p-Wert wird mit p=0,004 angegeben. Damit ist das Ergebnis signifikant. Aus den genannten Prozentzahlen kann man jetzt die relative Risikoreduktion berechnen: ( 9,1%minus5,8% ) geteilt durch9,1 ergibt 0,36; 0,36 mal 100% = 36%
36% Risikoreduktion, das klingt gut. Daher endet hier auch die Darstellung der Studienergebnisse im Firmenprospekt: "Deutliche Überlegenheit von Clopidogrel gegenüber Acetylsalicylsäure bei Patienten
mit Herzoperation in der Vorgeschichte...Die Clopidogrel-Therapie führt im Vergleich zur Acetylsalicylsäure zu einer drastischen Reduktion des erhöhten Risikos für
rezidivierende ischämische Ereignisse (=Herzinfarkt oder Schlaganfall ), die bei Patienten mit Herzoperation in der Vorgeschichte beobachtet werden..." (Iscover-Prospekt, ACC-News 2000, Bristol-Myers
Squibb) |
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4. Bewertung von Studienergebnissen Lassen Sie sich nicht von hohen Zahlen für eine relative Risikoreduktion blenden. Jetzt muss die NNT (Number Needed toTreat, s.o.) berechnet werden:
NNT = 100% geteilt durch (9,1%minus5,8%) = 30 (Die NNT wird immer auf eine ganze Zahl gerundet)
Sie müssen insgesamt mindestens 30 Patienten mit Clopidogrel behandeln, damit einer dieser Patienten zusätzlich im Vergleich zur Standardtherapie einen Nutzen hat:
Das klingt erst einmal nicht so berauschend. Trotzdem ist eine NNT von 30 ein sehr gutes Ergebnis.Warum ? Angenommen wir behandeln 10.000 Patienten nach einer Herzoperation mit Clopidogrel anstatt Acetylsalicylsäure: 10.000geteilt durch30 = 333 In einem Jahr hätten wir 330 Patienten weniger mit Herzinfarkt, Schlaganfall oder die aufgrund einer Herz-Kreislauf-Erkrankung versterben !
Jetzt müssen wir nur noch den Vertrauensbereich berücksichtigen, diese Angabe muss veröffentlichten Studiendaten entnommen werden: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% ist die beobachtete NNT mindestens 21 und höchstens 82. Damit gilt für unsere 10.000 Patienten: In einem Jahr hätten wir mindestens 120 Patienten und bestenfalls 480 Patienten weniger mit Herzinfarkt, Schlaganfall oder die aufgrund einer Herz-Kreislauf-Erkrankung versterben !
Nachdem wir jetzt wissen, wie sich NNT und Vertrauensbereich auswirken, sollten wir die Ergebnisse für jedes einzelne Zielereignis und eventuelle weitere Zielereignisse der CAPRIE-Studie für Patienten nach einer Herzoperation betrachten:
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5. Was kann man mit diesen Studienergebnissen anfangen? Wenn es nur nichts kosten würde! Clopidogrel (Plavix®, Iscover®) kostet in Deutschland zur Zeit 2,86 Euro pro Tag, Acetylsalicylsäure (Aspirin® protect) 0,09 Euro pro Tag: 10.000 mal 2,86 mal 365 = 10.439.000 Euro 10.000 mal 0,09 mal 365 = 328.500 Euro
10 Millionen Euro Mehrausgaben für 330 Patienten, die dann eben nicht innerhalb eines Jahres aufgrund einer Herz-Kreislauf-Erkrankung versterben oder einen Herzinfarkt bzw. Schlaganfall erleiden.
Was ist zu tun ? Wer entscheidet eigentlich in Deutschland darüber, ob diese zusätzlichen Euromillionen ausgegeben werden? Habe ich als Patient einen Anspruch darauf, dass mir, sollte ich (leider) betroffen sein, das bessere Clopidogrel verschrieben wird ? Sicher wird uns die Expertenmeinung weiterhelfen: "Solange wir auf bestätigende Wertung (der Ergebnisse
) und gründliche Kosten-Nutzen-Abschätzung warten, würden wir den Einsatz von Clopidogrel auf Patienten in den ersten Wochen nach Einsatz eines koronaren Stents und diejenigen, für
die Acetylsalicylsäure kontraindiziert oder unwirksam ist, beschränken." |
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